Teil I
Als Kind hätte ich nicht mal im Traum daran gedacht, dass ich eines Tages als Endzwanzigerin aufwachen würde mit den Worten: «Ich bin Valeria Sogne, freie Theologin.»
Es gab vieles, das ich damals werden wollte: Talk-Show-Moderatorin, Buch-Autorin und Schauspielerin, am Besten in dieser Kombination.
Doch an der Umsetzung meiner Träume haperte es: So hatte ich zwar als Kind eine sehr gute Stimme, die ich hätte trainieren können für solch schillernde Karrierepläne. Zwecks Faulheit entschied ich mich jedoch dagegen. Ich besuchte auch den freiwilligen Schauspiel-Unterricht an Oberstufe und Gymnasium nicht. Zwar schrieb ich in der Schule gut und gern, aber was das «gut» betrifft: Meine Lehrpersonen hielten nicht viel von meinen Schreibkünsten, bis ich Gott sei Dank die letzten zwei Jahre meines Gymnasiums eine Deutschlehrerin bekam, die meinen Ausdruck in Wort und Schrift zu schätzen wusste.
Die Deutschlehrerin war auch der Grund, warum ich Germanistik im Hauptfach studieren wollte, und irgendwas im Nebenfach. Ich war jedoch nicht allzu überzeugt von meinen Plänen, die eher pragmatischer Natur waren, weil ich mir ehrlich gesagt ganz viel Zeit fürs Romanlesen erhoffte.
Anfangs zwanzig begann dann meine tiefere Suche nach dem Leben und Gott: Dies entzündete regelrecht das Feuer in mir, nach dem ich gesucht hatte. Und so begann ich mein Theologiestudium. Was ich für einen Beruf ausüben würde danach: Darüber machte ich mir keine Gedanken, war ich doch im Glauben aufgewachsen, dass, wenn man seine Leidenschaft auslebt, die passende Arbeitsstelle automatisch folgen würde.
Natürlich überlegte ich mir, ins Pfarramt zu gehen. Ich absolvierte ein Praktikum in der reformierten Kirche und wusste nach einem halben Jahr: Vorwiegend alte Menschen im Gottesdienst zu sehen, die Kinderfreizeiten zu organisieren und an endlos langen Sitzungen teilzunehmen, war nichts für mich. An den Sitzungen wurden gefühlt jedes Mal Grundsatzfragen diskutiert: Wer sind wir als Kirchgemeinde? Wo hin wollen wir? Das schreckte mich ab, ebenso wie die internen Machtkämpfe. Es kam einfach darauf an, wer wie viel Charisma, Anhänger und Gremien angehäuft hatte, damit eine Entscheidung gefällt wurde.
Nach dem Praktikum war klar: Pfarrerin, niemals. Natürlich gab es diese Momente der Kurzschlusspanik (wovon soll ich denn leben?), in denen ich irgendwelche Pfarrpersonen anschrieb, ob sie mich denn gern als Vikarin haben wollten. Und jedes Mal folgte ich meiner inneren Stimme und zog von allein meine Bewerbung zurück.
Ein halbes Jahr vor Studiumsabschluss begann ich, Bewerbungen zu schreiben: Unter anderem als Seelsorgerin an einer Privatklinik, Religionslehrerin am Gymnasium und Deutschlehrperson für Erwachsene. Meine Bemühungen liefen ins Leere. Zugleich war ich tief unglücklich, da ich eine Teilzeitstelle als Kassiererin hatte und bei der Arbeitslosenkasse angemeldet war.
Zugleich entwickelte sich meine berufliche Selbstständigkeit: In Zusammenarbeit mit zwei weiteren Personen entstand diese fantastische Website (siehe Impressum). Im Juli 2021 war es dann so weit: Der erste Blogartikel war geschrieben, die ersten Post- und Visitenkärtchen verteilt.
Dieser Prozess begann vor knapp einem halben Jahr. War ich mir damals bewusst, dass ich im Stande war, selbstständig zu werden und mich eines Tages selbstbewusst als «freie Theologin» vorstellen würde? Wohl kaum. Ich betrachtete mich als Gescheiterte. Als eine, die keine Arbeitsstelle gefunden hatte.
Zudem fehlte es mir an Vorbildern: Wo waren sie, die freien Theolog:innen, die Ausgestiegenen aus den 60ern und 70ern? Warteten im 21. Jh. alle Theologiestudent:innen schön brav darauf, für Mutter Kirche und Vater Staat zu predigen (es gibt in der Schweiz de facto keine Trennung von Kirche und Staat)?
4 thoughts on “Freie Theologin: Wo bleibt der Hippie-Bus unter den Fahrzeugen?”
Schreiben Sie einen Kommentar
Sie müssen angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Der Einstieg ins Berufsleben ist fürwahr nicht einfach, gerade wenn man der inneren Stimme folgt. Die gleiche, die für den Ausstieg verantwortlich ist.
Verstehe nicht: es gibt in der Schweiz de facto keine Trennung von Kirche und Staat.
Ausstieg – ein gutes Stichwort.
Ich wollte mit diesem sehr verkürzten letzten Satz darauf hinweisen, dass frau als Pfarrperson nicht die Freiheit hat, zu sein wer sie ist (frau steckt als öffentliche Person in einer Beamt*innen-Rolle). Frau ist nicht ganz frei, zu predigen, was sie will, da frau einerseits einem kirchlichen und staatlichen Auftrag folgt. Meiner Meinung nach führt das zu verhärteten Strukturen und verlangsamten Denken, da frau sich als Kirchenfunktionär*in innerhalb von sehr langsamen und immer gleich mahlenden Mühlen bewegt.
Übrigens: Ich habe «man» ganz einfach mit «frau» ersetzt.
Ich musste erstmal zu Ende lesen um zu verstehen, wofür der Hippiebus steht: freies Denken, Kreativität, Individualität, Spontaneität.
Tja, die anderen die Audis, BMWs, VWs usw sind Organisationen, die über Jahrzehnte gewachsen sind und wo ein Grossteil der Energie in den Aufbau, das Bewirtschaften und den Erhalt der Organisation geht. Das muss der Hippiebus nicht. Wie und wo muss der Hippiebus dann hinfahren um gesehen und gehört zu werden?
In der Sahara Wüste, wo so viele Hippiebusse mal zu finden waren, ist man entweder alleine mit der Natur oder nur dann unter anderen Hippiebussen.
Ist das dem Hippiebus genug in der Paralellwelt zu fahren oder will der Hippiebus den Audi zu Blumenmustern und Green Energy bewegen, zum Wertschätzen aller Ressourcen, die humanen und Energieressourcen eingeschlossen.
Tja,ich würde sagen, nicht in die Wüste fahren sondern weiter publizieren oder die Strategie Hippie im VW-Pelz verfolgen.
Beides kein einfacher Weg.
Geh mal auf Gabor Steingart Media Pioneer. Die laden so Menschen, Denker und Writer wie dich ein Beiträge auf einer grossen Platform beizutragen.
Ich feiere die freien Theologen, wir brauchen dich !!!!!
Wie du die Analogie mit dem Hippie-Bus und meinen persönlichen «Clinch» herausgearbeitet hast… phänomenal! Einerseits will frau individuell, frei und unabhängig sein. Und da gibt’s auch den anderen Teil, der gesehen und gehört werden möchte. Danke für den Hinweis auf Gabort Steingart Media Pioneer.