Die Reformation ist ideengeschichtlich längst nicht in alle Teile und Köpfe der Welt durchgedrungen. Auch in der Schweiz Aufgewachsene und Lebende wissen nicht unbedingt, dass man als reformierte Theologin auch Pfarrerin werden kann (wohlgemerkt: erst seit Einführung des Frauenstimmrechts vor 50 Jahren). Oder einen anderen Beruf ergreifen kann, bspw. in den Bereichen wissenschaftliche Forschung und Journalismus. Sie wissen häufig nicht einmal mehr den Unterschied zwischen reformiert und katholisch. Das «Beruhigende» an dieser Unwissenheit ist immerhin, dass Konfessionsunterschiede (-und Kriege) keine Rolle mehr spielen. Meine unwissenden Gesprächspartner:innen ordnen mich irgendwo zwischen Nonne und Priesterin ein. Hier die Top Zwei-Reaktionen, wenn Menschen erfahren, dass ich (evangelisch-reformierte) Theologin bin:

«Du gehst aber nicht ins Kloster, oder?»

Streng genommen gibt es in der (evangelisch-)reformierten Tradition keine Klöster wie im katholischen Sinn, sondern Diakonissen, das sind Schwestern-Gemeinschaften, oder Brüdergemeinschaften, die weniger hierarchisch organisiert sind. Die Diakonissen erkennt man noch heute an ihrem grau-blauen Tenü und der weissen Haube.

Und: Selbst wenn ich katholische Theologie studiert hätte – ins Kloster geht man meist ohne Studium. Mögliche Berufsbilder für katholische Theologinnen: Doktorandin, Dozentin, Journalistin, Pastoralassistentin (= Pfarreileiterin) und Seelsorgerin in einer öffentlichen Instiution.

«Wirst du Priesterin?»

Es stimmt schon: Vor mehreren tausend Jahren waren die sogenannten «Theolog:innen» Priesterinnen und Priester (im Judentum wurden die ersten mit der Zeit von den Männern verdrängt). Nur: In keiner traditionellen religiösen Institution gibt es sie noch, die Priesterinnen (abgesehen von ein paar New Age-Kulten). In keiner traditionellen religiösen Institution? Pardon, es gibt eine, die dritte Konfession der Schweiz: Die christ-katholische Kirche. Noch nie gehört? Keine Sorge, ich vor meinem Theologiestudium auch nicht. Die christ-katholische Kirche ist eine Abspaltung der römisch-katholischen Kirche im 19. Jh. und hat, tatsächlich, Priesterinnen und auch Bischöfinnen. Und nochmals zur Klarstellung: Bei den Reformierten heisst gibt es dann keinen «Priester» und schon gar keine «Priesterinnen», sondern Pfarrerinnen und Pfarrer.

Alles klar?

2 thoughts on “Theologin: Nonne oder Priesterin

  1. Wissen toll vermittelt! Bildmaterial 1 A.
    Habe ich das richtig verstanden:
    Kath. Kirche = Pfarrer
    Ref. Kirche = Pastor, Pastorin
    Christ-katholische Kirche=Priester, Priesterinnen

    1. Liebe Daniela

      Vielen Dank für deinen Kommentar!

      Du hast das fast 😉 richtig verstanden.

      Kath. Kirche: Pfarrer oder Priester (auch bei den Orthodoxen werden die Geistlichen als «Priester» bezeichnet)

      Ref. Kirche: Pfarrer oder Pfarrerin. Es gibt da keine Priester/Geistlichen, weil durch die Reformation das «Priestertum aller Getauften» entdeckt wurde – der Hauptgedanke ist, dass jede und jeder selbst einen «Draht» zu Gott haben kann, und dass es daher keine Priester braucht, die das für einem übernehmen. Pfarrer- oder Pfarrerinsein ist ein Beruf wie jeder andere. Martin Luther hat den Begriff «Beruf» ins Leben gerufen – er leitet sich von «Berufung» ab. Ein «Beruf» ist also ein Ort, wo Gott einem hinberufen hat, und das können alle Arbeiten sein. Laut Martin Luther hat man als Pfarrer (damals gab es noch keine Pfarrerinnen) jeden Tag Sonntag, weil man Berufswegen jeden Tag Zeit hat, zu beten und die Bibel zu studieren. Es brennt mir unter den Nägeln, darüber mal ausführlicher einen Blog-Artikel zu schreiben. Die Reformation ist ein weites Feld!

      Pfarrer kann man für alle Konfessionen brauchen; Pfarrerin wiederum nicht – die gibt es nur in den evangelischen Kirchen (nicht in allen!), bspw. den evangelisch-reformierten oder -lutherischen Kirchen. Und auch nicht in allen Ländern: in Lettland wurde vor 5 Jahren das Frauenpfarramt in der evangelisch-lutherischen Kirche wieder abgeschafft.

      Pastor, Pastorin ist in der Schweiz für die Reformierten nicht üblich, sondern in Deutschland bei den evangelischen Kirchen; hierzulande findet man das eher bei Freikirchen. Pastor bedeutet lat. «Hirte». Im Johannesevangelium bezeichnet sich Jesus als «guter Hirte» und seine Anhängerinnen und Anhänger als «Schafe».

      Christ-katholische Kirche: Da die Christ-Katholiken eine Abspaltung der römisch-katholischen Kirche sind, haben sie die Bezeichnung Priester übernommen – mit dem sehr grossen Unterschied, dass es da eben auch Priesterinnen gibt.

      In der Schweiz gibt es drei Konfessionen: Reformiert, katholisch und christ-katholisch. Alle anderen christlichen Kirchen, wie Freikirchen oder orthodoxe Kirchen, sind in Vereinen organisiert. Deshalb spricht man auch von «Denominationen», anstatt von Konfessionen, um alle christlichen Gruppierungen mit ein zu schliessen.

      Klarer Schiff im Konfessionen-Wirrwarr?

      Gern weiter Fragen stellen, falls du ein Thema hast, wo du gern einen Blog-Artikel hättest, nur zu!

      Liebe Grüsse
      Valeria

Schreiben Sie einen Kommentar



Blog abonnieren

Loading