WG-Besichtigungen können echt ätzend sein. Man begegnet einem Haufen wildfremder Menschen. Diese Beobachtungen können wiederum echt witzig sein. May I present: der Hipster.

Disclaimer: Dieser Text dient lediglich zu Unterhaltungszwecken. Er entspricht allein meiner Wahrnehmung, die rein gar nichts mit der Realität zu tun hat. Vieles ist überspitzt. Und soll niemanden im echten Leben diffamieren. Deshalb sind Namen und Details abgeändert.

Der Hipster. Am Ehesten trifft man ihn in der Stadt der Städte an. Eine der wenigen Städte in der Deutsch-Schweiz, bei denen man nicht schon nach wenigen Minuten Busfahrt im Grünen bei den Kuhglocken landet. Die Rede ist von Zürich.

Der Hipster öffnet die Haustür seiner Jugendstil-WG. Zentral gelegen. In einem schicken Quartier. Nehmen wir mal den Züri-Berg. Nein, es handelt sich nicht um einen Studenten, sondern um einen junggebliebenen Barkeeper in seinen Mitte Dreissigern. Der Hipster hat keine Zeit. Er hat noch seine Sportklamotten an, gerade eben ist er von einer Jogging-Tour zurückgekehrt. Er hat sich noch nicht mal die Zeit genommen, sich vor der WG-Besichtigung umzuziehen. Also werde ich wohl oder übel gezwungen, auf sein enges Sport-Shirt zu schauen und auf seine noch engere Sporthose. Der Hipster beklagt sich: zu müde. Keine Zeit. Und redet lieber davon, wie viele Kilometer er zurückgelegt hat, als mir eine Frage zu stellen, oder mir die Wohnung zu zeigen. Seine Energie reicht gerade mal so weit, mir mein künftiges Schlafzimmer und das Wohnzimmer zu zeigen. Dort setze ich mich auf das Sofa, während der Hipster sich divenhaft auf dem Wohnzimmerteppich räkelt und sich über seine Schmerzen nach der Bike-Tour beklagt. Offensichtlich: Der Hipster hat keine Zeit für mich. Immerhin hat er sich gerade noch die Zeit genommen, mir ein Glas Wasser auf das Wohnzimmertischchen zu stellen. Dafür, dass er eigentlich so müde ist, redet er ganz schön viel. Besonders von seiner ehemaligen Mitbewohnerin, die zu ihrem Freund in die Malediven durchgebrannt ist. Sie war attraktiv, versteht sich. Genau so eine «Herzige» sei auch Little Miss Sunshine, die erst seit Kurzem eingezogen ist.

Little Miss Sunshine kommt eine halbe Stunde zu spät nach Hause. Und jetzt hat der Hipster plötzlich wie auf einen Schlag eine Menge Energie. Und ist schon lange nicht mehr bei mir und der Besichtigung, sondern beim Abendessen, das er für sich und Little Miss Sunshine zubereiten möchte. Crêpes. Wie immer. Der Hipster legt Wert auf seine pseudo-französischen Wurzeln. Obwohl er nur ein Franzose dritter Generation ist und kein einziges Wort Französisch spricht. Seinem Aussehen haben die Gene auf jeden Fall nicht geschadet. Little Miss Sunshine ist immerhin noch so nett, mir die ganze Wohnung zu zeigen. Ihr Schlafzimmer, das Bad und die Küche. Währenddessen hat sich der Hipster schon Richtung Küche bewegt und prahlt damit, dass er Himbeeren für 30% Rabatt gekauft hat. Little Miss Sunshine wendet noch schüchtern ein: Sie hätte nicht mehr so Lust auf Crêpes. Der Hipster glaubt ihr nicht. Zweimal Crêpes letzthin, wirklich, das sei so viel? Little Miss Sunshine empfindet den Crêpes-Konsum als deutlich mehr. Und während die beiden übers Abendessen reden, verabschiede ich mich fast unsichtbar aus der WG.

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